Kanzlei für Erb- und Familienrecht
CHRISTIAN BRECOUR
Rechtsanwalt
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet einander Unterhalt zu gewähren (vgl. § 1601 BGB). Dies gilt insbesondere für Eltern gegenüber ihren Kindern (= Kindesunterhalt). In seltenen Fällen, regelmäßig nur bei sehr guten Einkommensverhältnissen (= Einkommensgrenze 100.000 Euro brutto im Jahr), können auch Kindern gegenüber ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet sein. Hier spricht man dann vom sogenannten Elternunterhalt.
Die Pflicht zum Kindesunterhalt beginnt mit der Geburt des Kindes und dauert solange fort, wie das Kind bedürftig ist. Das ist regelmäßig bis zum Abschluss einer berufsqualifizierenden Ausbildung der Fall. Eine berufsqualifizierende Ausbildung ist zum Beispiel eine Lehre oder ein Studium.
Hierbei kommt dem Kind jedoch die Verpflichtung zu, eine berufsqualifizierende Ausbildung nach Schulabschluss zügig aufzunehmen und zu beenden. Nach Ablauf einer so genannten Orientierungsphase, deren Dauer unterschiedlich lang ist, besteht eine Verpflichtung des Kindes, seinen Berufs- und Lebensweg in eigener Verantwortung zu gestalten. Bei Verletzung der so genannten Ausbildungsobliegenheit kann ein Kind seinen (Ausbildungs-) Unterhaltsanspruch verlieren.
1. Verwandtschaftsverhältnis:
2. Bedürftigkeit des Kindes:
3. Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen:
4. Obhut und Erziehung:
5. Sonderbedarfe:
6. Volljährigkeit:
7. Verjährung:
Zu beachten:
Beide Elternteile sind gegenüber den minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Trennen sich die Eltern und lebt das Kind dann zeitlich überwiegend bei einem Elternteil, dann leistet der Elternteil bei dem das Kind lebt, seinen Anteil an der gesamten Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch die Pflege, Betreuung und Erziehung des Kindes (vgl. § 1606 Abs.3 BGB). Er leistet den so genannten Betreuungsunterhalt.
Der nicht betreuende Elternteil ist dem minderjährigen Kind gegenüber barunterhaltspflichtig, d.h. er hat seinen Unterhalt durch einen Geldbetrag zu leisten. Er trägt die Kosten des gesamten Lebensbedarfs und stellt die dafür benötigten Mittel in Form einer Geldrente als Barunterhalt zur Verfügung. Der Bedarf des Kindes (= Kindesunterhalt) richtet sich nach dem bereinigten Nettoeinkommen des nicht betreuenden Elternteils, d.h. es richtet danach wie viel der nicht betreuende Elternteil nach Abzug bestimmter Positionen durchschnittlich im Monat "verdient".
Dem Unterhaltspflichtigen ist jedoch ein Selbstbehalt zu belassen. Ist der unterhaltspflichtige Elternteil erwerbstätig beträgt der Selbstbehalt aktuell 1.450 €, ist er hingegen arbeitslos dann nur 1.200 €. Dieser Selbstbehalt kann u.a. erhöht, aber auch abgesenkt werden.
Wichtig:
Auch bei einem "echtem"
Wechselmodell ist Kindesunterhalt zu zahlen. Er berechnet sich jedoch anhand der bereinigten Nettoeinkommen beider Elternteile. Die Anrechnung des Kindergeldes hier anders als bei minderjährigen Kindern. Das Kindergeld wird für die eine Hälfte hälftig und für andere Hälfte entsprechend des Verhältnis der jeweiligen bereinigten Nettoeinkommen zueinander angerechnet. Auch erfolgt regelmäßig eine Anrechnung der erhöhten Unterhaltskosten des jeweiligen Elternteils.
Der Bedarf eines volljährigen Kindes richtet sich ebenfalls nach dem bereinigten Nettoeinkommen seiner beiden Eltern, d.h. es richtet sich danach, wie viel beide Elternteile nach Abzug bestimmter Positionen (zusammen) durchschnittlich im Monat “verdienen". Hier gilt es das Einkommen beider Elternteile zu ermitteln. Beide Elternteile sind verpflichtet vollständige Auskunft über ihr jeweiliges gesamtes Einkommen zu geben und diese Auskunft zu belegen. Auch dieser Anspruch ist ohne weiteres gerichtlich durchsetzbar. Der Volljährigenunterhalt ist mit dem Tag der Volljährigkeit zu zahlen. Der Unterhalt für den Monat des Geburtstages wird anteilig nach den Tagen berechnet.
Es bei dem Selbstbehalt zwischen einem volljährigen Kind und einem sogenannt privilegiert volljährigen Kind zu unterscheiden. Ein privilegiert volljähriges Kind ist ein Kind, dass sich bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres in einer allgemeinen Schulausbildung befindet und bei einem Elternteil wohnt. Der Selbstbehalt bei einem volljährigen Kind beträgt 1750 EUR, der Selbstbehalt bei einem privilegiert volljährigen Kind beträgt indes nur 1450 EUR.
Gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt Sonderbedarf bei einem unregelmäßigen und außergewöhnlich hohen Bedarf vor. Es handelt sich um einen überraschenden, nicht mit Wahrscheinlichkeit voraussehbaren und der Höhe nach nicht abschätzbaren Bedarf, der beim laufenden Unterhalt nicht – auch nicht als Mehrbedarf – berücksichtigt werden konnte.
Als Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs anzusehen, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er mit den Regelsätzen nicht erfasst werden kann, andererseits aber kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden kann.
Für Sonderbedarf haften bei Leistungsfähigkeit beide Elternteile nach ihren Einkommensverhältnissen quotenmäßig auf Barunterhalt.
1. Ermittlung des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen:
2. Bestimmung der Altersstufe des Kindes:
3. Anwendung der Düsseldorfer Tabelle:
4. Berücksichtigung von Sonderbedarfen:
5. Anrechnung des Kindergeldes:
6. Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen anderer Kinder:
7. Überprüfung der Angemessenheit:
Der Bedarf von Kindern (= Kindesunterhalt), die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, wird nach der Ermittlung des so genannten bereinigten Nettoeinkommens des barunterhaltspflichten Elternteils üblicherweise anhand der
Düsseldorfer Tabelle
bemessen. Diese Tabelle wird vom Oberlandesgericht Düsseldorf
jedes Jahr neu bearbeitet und ist bundesweit anerkannt.
0 - 5 | 6 - 11 | 12 - 17 | ab 18 | |
---|---|---|---|---|
bis 2.100 | 355 | 426 | 520 | 439 |
2.001 - 2.500 | 379 | 454 | 553 | 474 |
2.501 - 2.900 | 403 | 482 | 585 | 508 |
2.901 - 3.300 | 427 | 509 | 617 | 543 |
3.301 - 3.700 | 451 | 537 | 649 | 577 |
3.701 - 4.100 | 490 | 581 | 701 | 632 |
4.101 - 4.500 | 528 | 625 | 753 | 688 |
4.501 - 4.900 | 567 | 669 | 804 | 743 |
4.901 - 5.300 | 605 | 713 | 856 | 798 |
5.301 - 5.700 | 643 | 757 | 907 | 853 |
5.701 - 6.400 | 682 | 801 | 959 | 908 |
6.401 - 7.200 | 720 | 845 | 1.011 | 963 |
7.201 - 8.200 | 759 | 889 | 1.062 | 1.018 |
8.201 - 9.700 | 797 | 993 | 1.114 | 1.073 |
9.701 - 11.200 | 835 | 977 | 1.165 | 1.128 |
Das Kindergeld beträgt bereits seit dem 01.01.2023 einheitlich je Kind 250 € . Eine wie früher gestaffelte Höhe für jedes weiteres Kind gibt es daher nicht mehr. Der Antrag auf Kindergeld ist bei der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse - zu stellen.
Anspruch auf Kindergeld hat immer nur ein Elternteil. Leben die Eltern zusammen ist die Wahl des Bezugsberechtigten regelmäßig problemlos.
Soweit die Eltern nach der Trennung noch in einer Wohnung wohnen, sind beide im Prinzip berechtigt, das Kindergeld zu erhalten, da das Kind im gemeinsamen Haushalt lebt. Trennen sich die Eltern auch räumlich, ist nur der Ehegatte kindergeldbezugsberechtigt, der weiterhin zusammen mit dem Kind im Haushalt lebt.
Lebt das Kind nicht im Haushalt der Eltern und auch nicht in dem Haushalt eines sonst möglichen Kindergeldbezugsberechtigten, erhält derjenige das Kindergeld, der den höheren Unterhalt zahlt.
Wichtig
Ein Anspruch auf Kindergeld für volljährige Kinder besteht bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, wenn es bei einer Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet ist. Bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres werden Kinder erfasst, die sich entweder in einer Berufsausbildung befinden oder einen Ausbildungsplatz suchen oder ein freiwilliges soziales Jahr durchführen und keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden nachgehen.
Wenn das Einkommen nicht für die ganze Familie reicht, können Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigte zusätzlich zum Kindergeld den Kinderzuschlag (umgangssprachlich: Kindergeldzuschlag) erhalten. Der Antrag auf Kinderzuschlag muss jedoch gesondert bei der Familienkasse gestellt werden. In der Regel erhalten Sie Kinderzuschlag für 6 Monate. Ist der Bewilligungszeitraum abgelaufen, müssen Sie Kinderzuschlag neu beantragen (mehr).
Ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben Kinder dann, wenn sie bei einem Elternteil leben und der andere Elternteil keinen (regelmäßigen) Unterhalt zahlt.
Bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres (12. Geburtstag) erhalten Kinder ohne Einschränkung Unterhaltsvorschuss; bis zum vollendeten 18. Lebensjahr können ebenfalls Unterhaltsvorschuss erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass sie nicht auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) angewiesen sind oder dass der alleinerziehende Elternteil im SGB II-Bezug mindestens 600 Euro brutto verdient.
Die Höhe des Unterhaltsvorschusses richtet sich nach dem Alter der Kinder und beträgt seit dem
1.1.2024 monatlich:
Zu beantragen ist ein Unterhaltsvorschuss bei der jeweils
zuständigen Unterhaltsvorschusskasse.
Nachstehend finden sie aktuelle und wichtige Urteile zum Kindesunterhalt.
Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinausgehendes Umgangsrecht wahr, können erhöhten Aufwendungen, die als reiner Mehraufwand dem Kind nicht als bedarfsdeckend entgegengehalten werden können, zu einer Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle führen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 27.5.2021 − 7 UF 689/20 mehr). Ein weit über das übliche Maß hinausgehender Umgang bedarf eines Umgangs von mehr als jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien. Regelmäßig muss der Betreuungsanteil etwa 30% über den regelmäßigen Umgang liegen und nicht den Umfang eines Wechselmodells erreichen.
Der Kindesunterhalt muss nicht ausschließlich anhand der Düsseldorfer Tabelle nach deren pauschalen Zahlbeträgen ermittelt werden. Er kann sich auch nach dem konkreten Bedarf des Kindes berechnen. Dieser Betrag ist regelmäßig höher als der Zahlbetrag der Düsseldorfer Tabelle. In Betracht kommt ein solcher Kindesunterhalt bei einem sehr hohen Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteil. Es ist dann Aufgabe des Unterhaltspflichtigen darzulegen, dass der Bedarf des Kindes geringer ist. Das regelmäßige Vorbringen des unterhaltspflichtigen Elternteils, der betreuende Elternteil würde den Kindesunterhalt für sich selbst verwenden, genügt in diesem Fall nicht für die Annahme eines geringeren Bedarf (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 27.7.2023 – 7 UF 152/23 mehr).